Integrativer Kindergarten: Vor- und Nachteile

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Inklusion wird in den Schulen immer weiter vorangetrieben, vor allem die Grundschulen zeichnen sich dabei aus. Ein integrativer Kindergarten folgt diesem Beispiel mit verschiedenen Vor- und Nachteilen.

So arbeitet ein integrativer Kindergarten

Ein integrativer Kindergarten setzt in großen Teilen auf Ansätze der Montessori-Pädagogik. Wissen und Erfahrungen werden hier vor allem über Sinneseindrücke vermittelt, die Umwelt wird erlebbar gestaltet. Die Kinder sollen dazu angeleitet werden, selbstständiger zu werden, neue Aktivitäten auszuprobieren und eigenständige Lösungen zu finden.

Ein integrativer Kindergarten setzt dabei auf die Betreuung sowohl von Kindern mit als auch ohne Behinderung. Andersartigkeit soll damit von frühester Kindheit an als normal akzeptiert werden, es soll für die Kleinen selbstverständlich sein, sich gegenseitig zu helfen. Dieser Ansatz der Kindererziehung wird konsequent durch die gesamte Zeit in der Kita fortgeführt, wobei bemerkenswert ist, dass der Grad der Behinderung nicht von Belang ist.

Ein großer Vorteil der integrativen Kita ist die Einbeziehung aller Kinder bei gleichzeitig individueller Förderung. Jedes Kind soll die Betreuung bekommen, die es gerade benötigt. Soll Anleitung und Unterstützung oder eben das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erfahren. Die Kleinen sollen sich untereinander helfen und es soll bei dieser Form der Kindererziehung für niemanden ein Problem sein, wenn jemand anders ist, weniger leisten kann oder geistig eingeschränkt ist.

In normalen Kindergärten sind die Kinder unter sich, sind meist nur altersmäßig aufgeteilt. Sie sind bis auf wenige Ausnahmen entwicklungstechnisch auf einem ähnlichen Stand und erfahren meist nur eine eingeschränkte individuelle Betreuung. Kinder, die von der Norm nach oben oder nach unten abweichen, fallen nicht selten durch das Raster, werden nicht beachtet oder ziehen sich zurück. Kontakt mit behinderten Kindern besteht hier nicht und vielfach kommen die Kinder in ihrer gesamten Kinder- und Jugendzeit nicht mit geistig oder körperlich eingeschränkten Menschen zusammen.

Spätere Berührungsängste sind daher nur allzu verständlich. Dabei sollte die Kindererziehung genau darauf abzielen, dass keine Unterschiede zwischen den Menschen gemacht werden und dass die Kinder lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen, sich selbst zurückzunehmen und Einschränkungen zu akzeptieren. Genau diesen Ansatz verfolgt der integrative Kindergarten bei seiner Betreuung gesunder und behinderter Kinder.

Video: Integrativer Kindergarten

Integrativer Kindergarten: Vorteile überzeugen

Gefördert werden in der Kinderbetreuung, die die Beaufsichtigung und Unterstützung sowohl gesunder als auch behinderter Kinder anbietet, vielfache Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es geht um Toleranz und Achtung, um Respekt anderen Menschen gegenüber sowie um Rücksichtnahme. Auch die Wertschätzung anderer Kinder wird geübt und alltäglich vertieft.

Lernen die Kinder diese in der späteren Arbeitswelt nötigen Eigenschaften, werden sie für sie alltäglich. Es braucht kaum Erziehungstipps, um ein rüpelhaftes Kind, das gern prügelt oder auf andere Kinder herabsieht, in die richtige Richtung zu lenken. Das übernehmen die Kinder untereinander, die in der Kita oder Tagespflege erfahren, wie schön es sein kann, anderen zu helfen und selbst Hilfe zu bekommen.

Ein integrativer Kindergarten nutzt das große Vorbild Inklusion und betreut Kinder mit allen gesundheitlichen und geistigen Voraussetzungen. Eine Grenze zwischen verschiedenen Behinderungen wird hier nicht gezogen, sowohl leicht als auch schwerbehinderte Kinder werden in der Kita gefördert. Ein integrativer Kindergarten kann lediglich die Kinder nicht aufnehmen, die schwerst pflegebedürftig sind, denn eine Intensivpflege ließe sich mit einer möglichen Förderung anderer Kinder sowie mit den personellen und räumlichen Möglichkeiten in der Regel nicht mehr vereinbaren.

Gefördert werden in der Kinderbetreuung, die die Beaufsichtigung und Unterstützung sowohl gesunder als auch behinderter Kinder anbietet, vielfache Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Gefördert werden in der Kinderbetreuung, die die Beaufsichtigung und Unterstützung sowohl gesunder als auch behinderter Kinder anbietet, vielfache Fähigkeiten und Fertigkeiten.(#01)

Die Eltern, die ihr Kind in die Kinderbetreuung geben, sehen die Vorteile integrativer Kindergärten:

  • Vermitteln von Werten
    Die oben bereits erwähnten Werte wie Toleranz, gegenseitige Rücksichtnahme und Akzeptanz werden praktisch nebenbei vermittelt. Die Kinder lernen ganz natürlich, mit der Andersartigkeit von Menschen umzugehen.
  • Integration
    Behinderte Kinder werden in die Gruppe aufgenommen und gleichwertig behandelt. Sie lernen von den nicht behinderten Kindern, was in vielen Fällen eine deutlich bessere Förderung für sie bedeutet als die alleinige Arbeit mit Therapeuten.
  • Guter Personalschlüssel
    Ein integrativer Kindergarten weist oftmals einen guten bis sehr guten Betreuungsschlüssel auf. Hier sind nicht zehn Kinder für einen Erzieher zugeteilt, sondern teilweise nur zwei oder drei. Damit kann auf die Bedürfnisse der Kinder besser eingegangen werden und sie werden individueller gefördert.
  • Abbau von Ängsten
    Es ist nur natürlich, dass Menschen eine gewisse Scheu vor der Andersartigkeit haben bzw. vor Behinderungen, deren Auswirkungen sie nicht einschätzen können. Ein integrativer Kindergarten besteht meist zu rund einem Drittel aus behinderten Kindern mit verschiedenen geistigen und körperlichen Einschränkungen. Die gesunden Kinder lernen, sich darauf einzustellen und die betroffenen Kinder zu integrieren. Berührungsängste werden ganz natürlich abgebaut, weil die entsprechende Erfahrung im Umgang mit diesen Kindern vorliegt.
Ein integrativer Kindergarten weist oftmals einen guten bis sehr guten Betreuungsschlüssel auf.

Ein integrativer Kindergarten weist oftmals einen guten bis sehr guten Betreuungsschlüssel auf.(#02)

  • Intensive Zusammenarbeit
    Aufgrund des besseren Personalschlüssels ist oft auch die Zusammenarbeit mit den Eltern deutlich besser. Außerdem arbeitet der Kindergarten in der Regel direkt mit Therapeuten und Psychologen zusammen, wovon auch Eltern nicht behinderter Kinder profitieren können.
  • Kleine Gruppen
    Für die Kindererziehung ist es wichtig, das Kind nicht nur als ein Teil einer großen und vielfältigen Gruppe zu sehen, sondern auch als Individuum sowie in einer kleinen Gruppe. Ein integrativer Kindergarten besteht aus kleinen Gruppen, die je nach Bedarf zusammengelegt oder gesondert betreut werden.
  • Mehr Kreativität
    Behinderte Kinder lernen vor allem durch Sinneseindrücke. Entsprechend besitzt ein integrativer Kindergarten häufig vor allem entsprechendes Spielzeug, das sich durch das Erleben mit allen Sinnen auszeichnet. Es ist bezogen auf den Lerneffekt anderen Spielzeugen technischer Art weit überlegen. Somit profitieren auch gesunde Kinder von den Spielzeugen, die ein integrativer Kindergartenplatz zu bieten hat.
  • Feste Strukturen
    Viele körperlich oder geistig eingeschränkte Kinder benötigen feste Strukturen in ihrem Tagesablauf, um sich zurechtfinden zu können. Von einer solchen Struktur profitieren auch andere Kinder, selbst überdurchschnittlich begabte Mädchen und Jungen orientieren sich an einem festen Tagesablauf. Sie wissen genau, wann welcher Tagesordnungspunkt ansteht und können sich darauf einstellen. Die Folge ist in vielen Fällen eine bessere Mitarbeit und ein reibungsloserer Tagesablauf für alle Beteiligten.
Die Unterbringung in der Kita oder Tagespflege mit integrativem Hintergrund ist meist wesentlich teurer als ein normaler Kindergartenplatz. Der Grund liegt vor allem in den höheren Personalkosten

Die Unterbringung in der Kita oder Tagespflege mit integrativem Hintergrund ist meist wesentlich teurer als ein normaler Kindergartenplatz. Der Grund liegt vor allem in den höheren Personalkosten.(#03)

Integrativer Kindergarten: Auch Nachteile sind vorhanden

Bei einer Betrachtung der Vor- und Nachteile des integrativen Kindergartens zeigt sich, dass Eltern durchaus auch zu Recht skeptisch sein können. Der wohl größte Nachteil betrifft dabei die Finanzen: Die Unterbringung in der Kita oder Tagespflege mit integrativem Hintergrund ist meist wesentlich teurer als ein normaler Kindergartenplatz. Der Grund liegt vor allem in den höheren Personalkosten: Es wird zum einen mehr Personal benötigt, zum anderen ist die geforderte Qualifikation deutlich höher. Auch die Beschäftigung von Fachpersonal wie Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und anderen Experten kostet Geld.

Wer sich die Betreuung in einer derartigen Einrichtung wünscht, muss meist lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Es gibt nur wenige freie Plätze, dementsprechend ist die Anmeldung meist schon mit der Geburt des Kindes nötig. Das wiederum erfordert eine lange Vorausplanung der Eltern. Der Platzmangel gilt sowohl für behinderte als auch für gesunde Kinder, wenngleich Letztere noch eher einen freien Platz bekommen können. Dabei zeigt sich aber auch ein weiterer Nachteil: Nicht selten sind die räumlichen Bedingungen nicht in dem Maße gegeben, wie sie nötig wären.

Auf viele Behinderungen kann keine Rücksicht genommen werden, weshalb manche Kinder gar keinen Platz in der Kita bekommen können. Bei zu vielen Kindern ist es überdies schwer, die sorgfältige und individuelle Betreuung zu gewährleisten, denn das Eingehen auf jeden Einzelnen ist schlichtweg kaum möglich. Hier zeigt sich, dass trotz des besseren Personalschlüssels oft immer noch zu wenig Erzieher und Betreuer beschäftigt sind. Nicht selten werden die Eltern mit Erziehungstipps allein gelassen, wie sie ihre Kinder besser auf die Betreuung vorbereiten können, damit die Integration dann leichter fällt. Dass dies aber außerhalb des Kindergartenumfelds kaum steuerbar ist, wird dabei nicht berücksichtigt.

Einen großen Nachteil erfährt die Sprachförderung. Viele eingeschränkte Kinder benötigen eine spezielle Förderung, vor allem dann, wenn sie ganztags in der Einrichtung betreut werden. Diese Förderung ist aber nur schwerlich umzusetzen, wenn sich zu wenige Erzieher um zu viele Kinder kümmern müssen. Auch nicht beeinträchtigte Kinder müssen sprachlich oft noch angeleitet bzw. regelmäßig geprüft werden.

Die Zusammenarbeit mit Logopäden erleichtert es den integrativen Kindergärten zwar, dieser Anforderung gerecht zu werden, wirklich umgesetzt werden kann sie jedoch oft nicht. Insofern bleibt ein Großteil dieser Arbeit an den Eltern hängen und es ergibt sich die Notwendigkeit, außerhalb des Kindergartens spezielle Sprachförderungen zu besuchen. Wenn bedacht wird, dass der Hintergrund dafür, das Kind in einer integrativen Einrichtung betreuen zu lassen, in der Erleichterung für die Eltern liegt, ist eine mangelnde Sprachförderung rundum als Nachteil zu sehen. Wobei dies sicherlich nicht nur ein Problem des integrativen Kindergartens ist, sondern auch jeder anderen Einrichtung mit zu wenigen Erziehern.


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